Nur 25 statt 1250 Euro
Friedensaktivist Oefinger kommt glimpflich davon

Wiesbadener Kurier vom 19.08.2003
 
Nicht 1250 Euro Geldbuße, wie das Wiesbadener Ordnungsamt das gerne gehabt hätte, sondern gerade mal 25 Euro Verwarnungsgeld muss der Friedensaktivist Hans-Gerd Oefinger zahlen. Wie berichtet wird ihm vorgeworfen, im März dieses Jahres bei einer Schülerdemonstration gegen den Irak-Krieg die Bannmeile des Landtags verletzt zu haben. Oefinger wies die Vorwürfe zurück: Er habe keine Demonstranten in die Bannmeilenzone geführt, sondern den protestierenden Schülern lediglich seinen Lautsprecherwagen zur Verfügung gestellt.

Im Juli mussten das Ordnungsamt und Ordnungsdezernent Peter Grella (CDU) kräftig zurückrudern. Die Stadt hatte plötzlich entdeckt, dass sie für Bannmeilenverstöße überhaupt nicht zuständig ist, sondern das Hessische Innenministerium. Das Ordnungsamt leitete den "Fall Oefinger" ans Ministerium weiter. Das hielt nun 25 Euro Verwarnung für ausreichend.

Oefinger ist sich nach wie vor keiner Schuld bewusst, will aber, wie er mitteilt, "erhobenen Hauptes" zahlen, um der Öffentlichkeit einen langen Rechtsstreit zu ersparen. Den Ausgang der Sache wertet er als Ohrfeige für das Wiesbadener Ordnungsamt, das mit seinen 1250 Euro Geldbuße an ihm ein Exempel habe statuieren wollen.

Mit der Zahlung des Verwarnungsgeldes ist für Oefinger und seinen Anwalt die Angelegenheit allerdings nicht erledigt. Sie machen gegen die Stadt und den Ordnungsamtsleiter Schadensersatzansprüche wegen der "unzulässigen Einleitung eines Bußgeldverfahrens" geltend. mt


Pressemitteilung des Rechtsanwalts Gerhard Strauch

Demonstration gegen den Irak-Krieg - Hans-Gerd Oefinger zahlt wegen des Ver­samm­lungs­be­ginns in der "Bannmeile" des Hessischen Landtags anstatt 1.250,00 € ein Ver­war­nungs­geld von 25,00 

Nachdem in obiger Sache bekanntlich das Ordnungsamt der Landeshauptstadt Wies­ba­den nicht zuständig gewesen ist, hat das Hessische Innenministerium nach Überprüfung der Angelegenheit angeboten, das Verfahren schon wegen Ge­ring­fü­gig­keit durch Zahlung eines Verwarnungsgeldes von 25,00 € einzustellen. Es hat da­mit quasi lediglich eine Ermahnung mit erhobenem Zeigefinger ausgesprochen und das Vorliegen einer schuldhaft begangener Ordnungswidrigkeit verneint.

Rechtlich gesehen sind wir immer noch der Auffassung, dass das Verfahren auch oh­ne Zahlung eines Verwarnungsgeldes hätte eingestellt werden müssen, nicht zu­letzt wegen der für verfassungswidrig gehaltenen Vorschriften über das grund­sätz­li­che Demonstrationsverbot innerhalb der Bannmeile. Aus ver­fah­ren­sö­ko­no­mi­schen Gründen und weil es wichtigeres zu tun gibt, haben wir jedoch von der Wei­ter­be­trei­bung des Verfahrens über mehrere Instanzen Abstand genommen. Wir sind sicher, dass ein Verfahren erst gar nicht eingeleitet worden wäre, wenn die Sache gleich von dem sachlich zuständigen Innenministerium bearbeitet wor­den wäre. Für das Ordnungsamt der Landeshauptstadt Wiesbaden und dessen Lei­ter ist das Verfahrensergebnis eine schallende Ohrfeige. Man hat von dort aus ein Bußgeld von 1.250,00 € angedroht und presseöffentlich erklärt, es würde Herrn Oefinger gar nichts helfen, wenn er hiergegen angehen wolle. Gar als "mo­de­rat" wurde die  Bußgeldhöhe bezeichnet.

Nicht abgeschlossen durch die Zahlung des Verwarnungsgeldes ist das Ver­fah­ren gegen die Landeshauptstadt Wiesbaden und den Amtsleiter des Ord­nungs­am­tes. Hier stehen unverändert die Schadensersatzansprüche wegen der un­zu­läs­si­gen Einleitung des Bußgeldverfahrens im Raum. Weiterhin wurde von der Stadt und dem Amtsleiter des Ordnungsamtes ein Widerruf und eine Ent­schul­di­gung für seine presseöffentlichen falschen und ehrenrührigen Äußerungen ver­langt. Die Redakteurin der Tageszeitung hat ausdrücklich, uns schriftlich vor­lie­gend, die wörtlichen Äußerungen des Amtsleiters bestätigt, die sie in Ihrem Be­richt vom 05.06.2003 wiedergegeben hat. Hiernach wurde u.a. erklärt: 

"Herr Oefinger hat die Spontandemonstration bewusst in die Bannmeile reingeführt.......... Warum macht er jetzt, gelinde gesagt, so einen Scheiß?!.... Das hilft ihm nichts."

 

Seitens der Landeshauptstadt  Wiesbaden will man sich nach Ende der Ur­laubs­zeit abschließend äußern. In einer vorläufigen Stellungnahme gibt es schon sei­tens des Amtsleiters ein erstes Bedauern, das Stadtrat Grella mitgeteilt hat. Da­nach habe laut Amtsleiter Pohlenz gar keine Veranlassung bestanden, die in der Pres­se dargestellten Sachverhalte zu unterstellen. Er sei aus dem Zu­sam­men­hang gerissen und auch falsch zitiert worden.

Anliegend erhalten Sie noch das Schreiben vom heutigen Tage an das In­nen­mi­nis­te­ri­um, aus dem Näheres über das Verwarnungsgeld von 25,00 € zu ent­neh­men ist.

 Gerhard Strauch Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht


Schreiben an das Innenministerium:
Bußgeldverfahren gegen Herrn Hans-Gerd Oefinger wegen des Vorwurfs der "Verletzung" der Bannmeile des Hessischen Landtags

Sehr geehrter Herr Sievers,

in obiger Sache haben Sie entschieden, die Angelegenheit als erledigt an­zu­se­hen, wenn mein Mandant innerhalb der - verlängerten - Frist bis zum 18.08.2003 ein sog. Verwarnungsgeld in Höhe von 25,00 € überweist. Damit haben Sie nach den zugrunde liegenden Vorschriften des Ordnungswidrigkeitsgesetzes (§§ 56, 57) zum Ausdruck gebracht, dass Sie die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit an sich schon als geringfügig einstufen, ohne dass im Einzelnen noch festgestellt wor­den ist bzw. werden müsste, ob und in welchem Umfang mein Mandant im We­ge eines "schuldhaften" Verhaltens (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) ver­ant­wort­lich gemacht werden kann.

Mit den nachfolgenden Ausführungen soll nochmals, zunächst unter Be­zug­nah­me auf die umfangreichen Sach- und Rechtsausführungen vom 26.05.2003, dar­ge­legt werden, dass meinem Mandanten der Vorwurf eines ordnungswidrigen Ver­hal­tens nicht entgegengehalten werden kann.

Nichtsdestotrotz hat sich mein Man­dant - ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - dazu ent­schie­den, das Verwarnungsgeld von 25,00 € fristgerecht zu bezahlen. Er ist der Auf­fas­sung, dass es in jeder Beziehung unverhältnismäßig wäre, bei einem solchen Geld­be­trag durch Nichtzahlung des Verwarnungsgeldes ein förmliches Buß­geld­ver­fah­ren mit Gerichtsverhandlungen über mehrere Instanzen hinweg durch­zu­füh­ren.

Mein Mandant sieht vielmehr durch das jetzige Verwarnungsgeld von 25,00 € gegenüber dem vom Ordnungsamt der Landeshauptstadt Wiesbaden angedrohten Bußgeld von 1.250,00 € eben diese Behörde als bestraft ge­nug an und ist sich sicher, dass ihr zuständiges Ministerium, wenn es mit dem Vor­gang von Anfang an befasst gewesen wäre, überhaupt kein Verfahren ein­ge­lei­tet hätte. Das Verwarnungsgeld ist daher mehr oder weniger symbolisch zu be­trach­ten vor dem Hintergrund, dass nun einmal ein Verfahren durch die unzuständige Lan­des­haupt­stadt Wiesbaden angefangen worden ist.

In dieser Auffassung sieht sich mein Mandant auch dadurch  bestärkt, dass Sie zum Ausdruck gebracht haben, dass Sie das geringe Verwarnungsgeld von 25,00 € auch nur deswegen verhängt haben, weil Sie meinen Mandanten als her­vor­ge­ho­be­nen Versammlungsteilnehmer ansehen (Bereitstellung eines PKWs mit Lautsprecher). Damit bringen Sie deutlich zum Ausdruck, dass Sie ge­gen­über den anwesenden Schülerinnen und Schülern, selbst wenn diese na­ment­lich bekannt wären, kein Verwarnungsgeld verhängen würden. An dieser Ihrer Fest­stel­lung ist zum einen zu begrüßen, dass Sie auch insoweit die falsche Tat­sa­chen­be­haup­tung des Leiters des Ordnungsamtes der Landeshauptstadt Wies­ba­den, wonach mein Mandant Leiter der Versammlung gewesen sein soll und der die Schülerinnen und Schüler bewusst in die Bannmeile geführt haben soll, nicht teilen und den Tatsachen entsprechend meinen Mandanten ausschließlich als normalen Versammlungsteilnehmer ansehen. Dann aber - und insoweit - kann Ihren Ausführungen nicht zugestimmt werden, hätte mein Mandant aber im Rah­men der Gleichbehandlung mit den Schülerinnen und Schülern als "normaler" Ver­samm­lungs­teil­neh­mer ebenfalls von einem Verwarnungsgeld verschont blei­ben müssen. Denn, wie soll definiert werden, wer ein hervorgehobener Ver­samm­lungs­teil­neh­mer war und welche Konsequenzen dies haben soll? Soll etwa je­mand, der ein Plakat oder Transparent bei sich hat, 10,00 € bezahlen, ein an­de­rer der ein Megafon umhängen hat, 15,00 € etc.?

Auch in Ihrer juristischen Bewertung, kann ich Ihnen nicht zustimmen. Einerseits füh­ren Sie aus, dass bei Spontanversammlungen durchaus auch kurzfristig eine Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung vom Versammlungsverbot in der Bannmeile erreicht wer­den kann. Sie meinen aber, eine dann erteilte Genehmigung würde erst ab Ge­neh­mi­gungs­er­tei­lung und nicht rückwirkend gelten. Diesen Ausführungen kann in Anbetracht der hohen Bedeutung des Grundrechts der Ver­samm­lungs­frei­heit und Meinungsäußerungsfreiheit nicht zugestimmt werden. Bekanntlich hat­te ich geltend gemacht, dass über die anwesenden Polizeibeamten bei ent­spre­chen­den Hinweisen eine Ausnahmegenehmigung telefonisch beantragt wor­den wäre.

Im übrigen hatte ich bereits in meinem Schreiben vom 26.05.2003 darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht bei Spontanversammlungen wegen des Cha­rak­ters derselben per se Anmeldevorschriften etc. für  nicht anwendbar hält (vgl. BVerfGE 69, 315, 350).

Im Kern - und das zeigt dieses Verfahren ganz deutlich - ist allein für die Zukunft ei­ne parlamentarische Klärung auf politischer Ebene dahin gehend geboten, dass das grundsätzliche Verbot von Versammlung in der Bannmeile aufgehoben wird. Dies wird bekanntlich von namhaften Juristen in Anbetracht des Grund­rechts der Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit schon lange ge­for­dert. In dem einen bereits zitierten Kommentar von Ridder u.a. heißt es hierzu un­ter § 16 Rn 9:

"Mit dieser Prognose, Versammlungen per se für gefährlich zu erklären, wird eine Traditionslinie zum obrigkeitsstaatlichen Denken des 19. Jahr­hun­derts beschworen, dem die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten - und geschah dies in noch so friedfertiger Weise - als generell ge­fähr­lich für die öffentliche Ordnung galt."

Mit freundlichem Gruß
Gerhard Strauch, Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Verwaltungsrecht


Initiative „Jugend gegen den Krieg“ – Postfach 2112 – 65011 Wiesbaden – Tel./Fax 0611.406807

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