Wiesbadens Genossen skeptisch
Abschlusskundgebung der Hessen-SPD mit Kanzler und Spitzenkandidat

Wiesbadener Tagblatt vom 31.01.2003

Den Prognosen zum Trotz: Die
Grundstimmung der SPD-Basis ist
nach wie vor optimistisch, wenn es
um die Landtagswahlen geht. Das
meint zumindest der
Unterbezirks-Geschäftsführer,
Zuhörer im Kurhaus sahen das
allerdings völlig anders.


Von unserem Redaktionsmitglied Bertram Heide

Lutz Fuchs-Jansen versteht die Welt nicht mehr. "Die Grundstimmung ist
wesentlich besser als die Umfrageergebnisse", sagte der Geschäftsführer
des SPD bei der Abschlussveranstaltung seiner Partei gestern Abend im
Kurhaus. Viele seiner Genossen können die Zuversicht indes nicht teilen.

Reiterstaffel der Polizei vor dem Kurhaus, kaum 20 Demonstranten gegen
den Irak-Krieg auf den Treppen, rund 50 Sicherheitsbeamte aus Berlin in
dunklen Anzügen und mit Sprechfunk-Knopf im Ohr. Es war schon eine
merkwürdige Atmosphäre. Fast 1500 Menschen, der überwiegende Teil
Parteigenossen, mussten sich einem Sicherheits-Check unterziehen, wie sie
ihn vorher höchstens einmal auf einem Flughafen erlebt hatten.

Hans-Gerd Öfinger, Organisator der Demonstration, verstand die Welt nicht
mehr, als er nicht den Thiersch-Saal durfte. Das Argument "Ihr demonstriert
gegen etwas, was die SPD auch nicht will", ließ er nicht gelten.

Die Hektik und Aufregung im Foyer konnte Regina Maaß, die Delkenheimer
Ortsvorsteherin, nicht verstehen: "Bei so einem bekannten Bundeskanzler ist
eben alles etwas anders."

Die gute Stimmung, die Lutz Fuchs-Jansen noch sah, teilten im Gespräch
mit dem "Tagblatt" viele Parteigenossen nicht. "Der Straßenwahlkampf und
die Hausbesuche sind sehr gut gelaufen. Aber mit dem Ergebnis sieht es
schlecht aus", meinte der Klarenthaler SPD-Stadtverordnete Richard Altz.

Thomas Wittich, Journalist und Parteimitglied, urteilt genau so: "Die Bürger
sind verwirrt durch die Bundespolitik. Und jetzt haben sie Angst, dass ihnen
Gerhard Bökel noch den letzten Euro aus der Tasche zieht."

Auch Armin Clauss, Ex-Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, gab sich
nur verhalten optimistisch: "Alles wird von der Wahlbeteiligung abhängen."
Natürlich weiß der dienstälteste SPD-Landtagsabgeordnete, der jetzt aus
dem Parlament ausscheidet, dass gerade sozialdemokratische Wähler
schwer zu motivieren sind, wenn das Ergebnis aus Sicht der Demoskopen
bereits festzustehen scheint.

"Das Ding ist eine verlorene Sache", fürchtet auch Klaus Ries (Förderverein
Fasanerie): "Wir müssen ausbaden, dass die in Berlin Mist gebaut haben.
Das Dosenpfand zum Beispiel war gar nicht unsere Sache."

Kathrin Hawkins, in Wiesbaden lebende kanadische Künstlerin, möchte,
dass am Sonntag "die Menschen nicht nur aus Angst vor dem Krieg SPD
wählen". Roland Koch lehnt sie ab. "Es sollte kein Mensch Geschichte
machen wollen, dessen Politik auf so unsicheren Füßen steht."