Die US-amerikanischen Folterknechte sind unter uns

Roland Koch bekräftigt „Wertegemeinschaft“ mit George W. Bush

 

Die Enthüllungen über Folterszenen in irakischen Gefängnissen zeigen allmählich auch Wirkung in der deutschen Innenpolitik. Insbesondere führende Repräsentanten von CDU, CSU und FDP, die vor Jahresfrist als strikte Befürworter des Irak-Krieges und eines direkten Bundeswehreinsatzes im Irak aufgetreten waren, sehen sich jetzt zunehmend in Erklärungsnöten. Doch nur die wenigsten unter ihnen sind wie der saarländische Ministerpräsident Müller (er will im September wiedergewählt werden!) bereit, eigene "Fehleinschätzungen" im Frühjahr 2003 offen zuzugeben.

Viel schwerer mit einem Eingeständnis eigenen Irrens tut sich Müllers hessischer Amtskollege Roland Koch, der im Vorfeld des Irak-Krieges an seiner bedingungslosen Gefolgschaft für George W. Bush keinen Zweifel gelassen hatte. Wir wollten es genauer wissen und fragten fünf Tage lang geduldig immer wieder in der Pressestelle der Hessischen Staatskanzlei nach, ob denn der Hessische Ministerpräsident bei seiner alten Position pro Irak-Krieg bleibe oder wie Müller seine Haltung nach den jüngsten Enthüllungen revidiert habe. Immer wieder wurden wir vertröstet: der Herr Regierungssprecher wird sich bei Ihnen melden und eine Antwort geben, so seine Vorzimmermitarbeiterin auf Anfrage. Doch weder Kochs Regierungssprecher Metz noch dessen Stellvertreter waren jemals direkt zu sprechen. Am Mittwoch endlich meldete sich die Mitarbeiterin nach mehrmaligem Nachbohren und verwies auf ein aktuelles Koch-Interview aus "Bild am Sonntag", das sie sofort per Fax übermittelte.

"Die Amerikaner sind unsere Freunde. Und sie sind derzeit in großen Schwierigkeiten. Freunde haben Anspruch auf Hilfe statt auf Schadenfreude. Wir sollten die USA spüren lassen, dass sie unsere Freunde sind und dass sie mit uns eine Wertegemeinschaft bilden", erklärt Koch in diesem Interview.

Während Bundeskanzler Gerhard Schröder kurz vor der Bundestagswahl 2002 seine Ablehnung des Irak-Krieges zum wahlentscheidenden Thema machte, verlor seine damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin wenig später gerade wegen ihrer scharfen Kritik an US-Präsident Bush ihr Ministeramt. Sie hatte den plötzlichen außenpolitischen Kurswechsel ihres Chefs vermutlich so sehr verinnerlicht, dass sie im Wahlkampf in ihrem Wahlkreis Tübingen laut Presseberichten die Politik von Bush als außenpolitische Ablenkung von einer desolaten Innenpolitik bezeichnete und darin auch eine Ähnlichkeit zur Politik Hitlers erkannte. Das ging dem "Kriegsgegner" Schröder zu weit.

Im Gegensatz zu führenden Politikern in Koalition und Opposition hat die SPD-Politikerin Däubler-Gmelin allerdings kein Vertrauen in eine lückenlose Aufklärung und Strafverfolgung durch die US-Behörden. Als einfache Abgeordnete fordert sie jetzt eine Initiative im UN-Sicherheitsrat mit dem Ziel, Aufklärung und Strafverfolgung auch im Hinblick auf US-Beschuldigte dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu unterstellen. Eine solche Initiative in der UNO könne die USA wirksam unter Druck setzen und helfe, die Vorwürfe glaubhaft zu klären, die Schuldigen zu bestrafen und das Völkerrecht zu stärken und könne öffentlich wirksam Druck auf die Veto-Macht USA ausüben, erklärte Däubler-Gmelin in der Süddeutschen Zeitung.

 

Folterknechte laufen frei herum

 

In Wiesbaden, wo neben der 1. Panzerdivision der US Army auch die bei den Folterungen federführende 205. Brigade des US-Geheimdienstes unter Colonel Thomas Pappas ihren Sitz hat, sind die Vorgänge in dem Bagdader Gefängnis jetzt auch Gegenstand einer Anfrage im Stadtparlament. Der Stadtverordnete Hartmut Bohrer von der Linken Liste hatte bereits im Februar und März 2003 Anfragen und Anträge zu den kommunalen Konsequenzen aus der US-Kriegsführung gestellt. Seine Forderung nach Einstellung aller offiziellen Repräsentationsbesuche von Vertretern der Stadt bei Empfängen und Festlichkeiten örtlicher US-Militärbehörden war dabei einhellig von allen anderen Fraktion im Rathaus abgelehnt worden. Man könne durch Teilnahme an solchen Festlichkeiten doch eher auf die US-amerikanischen Gesprächspartner einwirken und ihnen seine Ansichten vortragen, hatten die Antragsgegner damals betont. Jetzt will Bohrer in einer aktuellen Anfrage an den Magistrat des hessischen Landeshauptstadt wissen, welche Konsequenzen er aus den bekannt gewordenen Folterungen zieht, "insbesondere im Hinblick auf eine künftige Teilnahme von Repräsentanten der Landeshauptstadt Wiesbaden an 'Welcome Parties' für die aus dem Irak zurückkehrenden, sich an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligenden US-Soldaten und anderen Festen und Empfängen US-militärischer Einheiten".

Ob die anderen Wiesbadener Rathaus-Fraktionen nunmehr berichten können, wie sie die vergangenen 12 Monate dazu genutzt haben, um einen mäßigenden Einfluß auf die vor Ort vertretenen US-Militärs auszuüben, hätte die anstehende Sitzung der Stadtverordenetenversammlung am kommenden Donnerstag zeigen können. Doch die Stadtverordnetenvorsteherin hat Hartmut Bohrers Frage an die Stadtregierung nicht zugelassen, weil angeblich kein lokaler Bezug vorhanden sei.

Christoph Mürdter von der Wiesbadener Initiative "Gewerkschafter und Jugend gegen den Krieg" bringt es auf den Punkt: "Wenn die Vorzeichen umgekehrt und die Folterknechte des Colonel Pappas nicht die 'amerikanischen Freunde' von Roland Koch und seiner Hessen-CDU wären, dann hätten die örtlichen Law and Order-Politiker der CDU schon längst öffentlich Unterschriften gegen das 'Sicherheitsrisiko für unsere Kinder' gesammelt, das von in Wiesbaden frei herumlaufenden sadistischen Soldaten und Geheimdienstagenten ausgeht. Sie hätten auch lautstark die sofortige Ausweisung dieser 'gewaltbereiten Ausländer' gefordert", so Christoph Mürdter. Um dem Stadtverordneten Bohrer den Rücken zu stärken und auf die Position der in Rathaus und Landtag federführenden Kriegsbefürworter hinzuweisen, haben die Friedensaktivisten bei einer Mahnwache in der Innenstadt verdeutlicht: "Die Folterknechte und Kriegstreiber sind unter uns".

Sie fordern:

 

Hans-Gerd Öfinger
Ende Mai 2004

 


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